Die Angst vor dem Abstieg am Hochgrat war zu gross....
Der 1. Alpin-Marathon Deutschlands im Jahre 2003 war für mich eine der herausragendsten Laufereignisse aus dem letzten Jahr. Es war einfach toll – ein Genuss und es hat trotz der riesigen Strapaze viel Spaß gemacht. Da stand bereits kurz nach dem Lauf fest. Diesen Gebirgsmarathon, ja diesen Alpen-Marathon, nein – diesen Panoramalauf oder besser gesagt diesen Genusslauf werde ich auf jeden Fall noch einmal wiederholen.
Dennoch sollte ich auch ehrlich sein: Bei aller Begeisterung für diesen Marathon, der wahrscheinlich der härteste Marathon Deutschlands ist, noch beim Schreiben dieses Berichtes kann ich mich 30 Stunden danach über die „Ausmaße“ eines ordentlichen Muskelkaters „erfreuen“. Vor allem die Oberschenkel sind hiervon doch sehr betroffen. Auch die Knie taten nach dem Lauf richtig weh…..und in der Nacht danach war mehrmals Voltaren und Pferdesalbe gefragt. Manchmal frage ich mich – was bewegt uns Läufer solche „Aufopferung“ und „körperlichen Stress“ hinzunehmen? Vielleicht können die nachfolgenden Bilder eine Antwort hierfür geben.
Meine Laufstrategie…. …..die Angst vor dem Abstieg am Hochgrat war zu gross. |
Die ersten Kilometer bis Weissach sollten schnell angegangen werden. Hier lief ich mit einer der Spitzengruppen mit. Das war zum Beispiel auch Anneliese Weber, die hier bereits mächtig drauf drückte… Bei der ersten Verpflegungsstation in Weissach war alles bestens. Zeit 35 Minuten für 7 km – Schnitt 12km/h also einen glatten 5er Schnitt. Das war ja prima, dachte ich mir….aber war da nicht schon etwas „Säure“ in den Beinen? Die kleinen Anstiege hatte ich nicht bedacht. Und da ging der Puls gleich mehrmals auf maximal. Nein, nein das kann gar nicht sein. Noch nie hatte ich nach 7 km irgendwelche Probleme. So unterdrückte ich den Gedanken (und die Wahrheit) einfach und lief munter weiter. Der Verpflegungspunkt Steibis war dann auch schnell erreicht. 52 Minuten zeigte meine Uhr. Just in Time…dachte ich mir. Schnell mal den Zettel raus und nochmals nachgeschaut. Alles bestens…. aber das Tempo – konnte das gut gehen? Ich wollte es an diesem Tag wissen, im Unterbewusstsein war mir jedoch schon klar „du bis zu schnell angegangen“ und trotzdem habe ich weiter gepowert.
Imberghaus 1:15 h, also gerade mal 5 Minuten länger als Optimal und 3 Minuten schneller als realistisch… Nach dem Imberghaus ging es doch mächtig bergab – ich wußte, jetzt musst du draufdrücken, jetzt musst du Zeit gut machen, denn der schwere Aufstieg kommt ja noch. Und so war es auch. Der Anstieg kam und es waren immer noch 2 bis 3 Kilometer zur Falkenhütte. Und jetzt war die Wahrheit bereits zu spüren. Ich merkte meine schweren Beine. Und ein gar schnelles Gehen wurde fast zur Qual. Dennoch erreichte ich die Falkenhütte bei einer akzeptablen Zeit 1:55 h. Dazwischen hatte ich sogar ein paar Fotostopps eingelegt. Die hatte ich aber gerne gemacht, da ich manchmal glaubte, dass es die Beine nicht mehr machen würden. Da hatte sich doch tatsächlich Milchsäure angesammelt. Ich ärgerte mich über meine Dummheit, denn Kraft war noch da und nun hatte ich mir durch meinen Übereifer den Lauf im wahrsten Sinne des Wortes etwas „versauert“.
Was soll’s dachte ich mir und ließ es nach der Falkenhütte bedeutend langsamer angehen. Und das war gut so. Meine geplante Geschwindigkeit von 6 km/h also einen 10er-Schnitt war von der Falkenhütte bis zur Hochgratbergstation nie zu schaffen. Wurzeln, Klettern, Steigen, nach dem herrlichen Panorama schauen, Fotografieren und vieles mehr das dauerte doch bedeutend länger als geplant. So erreichte ich den höchsten Punkt der Tour tatsächlich erst nach 2:45 h. Das war ein Schnitt von 12 1/2 Minuten für 1 Kilometer. Da war ich schon etwas platt. Und nun oben auf dem Gipfel aller Gefühle wusste ich noch vom letzten Jahr: Ja keine lange Pause machen. Ja nicht lange Quatschen, nicht hinsitzen, keine Vesperpause machen…. – sondern schnell etwas Trinken und sich auf den Abstieg begeben. Waren doch die fürchterlichen Krämpfe des Vorjahres noch in bester Erinnerung, die ich beim Abstieg hatte….Und so war ich nervös wie ein kleiner Schuljunge vor dem ersten Schultag. Das mag wirklich komisch klingen, aber ich hatte derart großen Respekt vor dem Abstieg. Und ein großes Fragezeichen begleitete mich…..
Ich ließ es ganz langsam angehen. Zu langsam und wahrscheinlich zu vorsichtig – ja fast verkrampft ging ich den Berg hinunter. Viele Läufer „marschierten“ ganz locker an mir vorbei. Ohne jegliche Probleme und ich konnte nicht, nein ich wollte nicht schneller gehen. Au – tatsächlich nach rund 2 oder 3 km – der erste Krampf im linken Oberschenkel. Au weia dachte ich mir – nicht schon wieder. Gerade kam ein alter Hase vorbei und sah, wie ich doch sichtlich mit dem Krampf kämpfte. „Was kann ich tun?“, fragte ich ihn. „Ganz kräftig durchdrücken und mindestens 1 bis 2 Minuten halten“ schwub und schon war er weg. Gesagt, getan und tatsächlich. Der Krampf war weg. Die Angst jedoch war immer noch da. Noch hatte ich die Talstation von der Hochgratbahn nicht erreicht. Viele Läufer hatten mich beim Abstieg dann noch überholt und irgendwie schaffte ich es dann doch in einer relativ guten Zeit zum nächsten Verpflegungspunkt, der Talstation zu kommen. Hatte ich doch für die 6 Kilometer Abstieg eine beachtliche Zeit von 1 h eingeplant, so war ich dann doch überfroh, also ich bereits nach 45 Minuten am „Ziel“ Talstation war. 3h 30 Minuten war ich unterwegs. Also exakt in der Mitte meiner Planung zwischen „Optimal und Erreichbar“. Ich holte tief Luft und wusste. Jetzt könnte eine 4 davor stehen. Waren es doch „nur“ noch schlappe 15 Kilometer bis ins Stadion von Kalzhofen. Der schlimmste Teil war geschafft. Und nun konnte ich meinen Rhythmus gehen, denn ich kenne. Und so war es dann auch. Nach der Verpflegung legte ich erst mal richtig los. Befreit, dass ich den Berg und den Abstieg geschafft hatte spielend und wieder – wie so oft viel zu schnell ging es Richtung Steibis. In Steibis vernahm ich folgende Zeit: 3 h 55 Minuten. Also einen flotten 5er Schnitt sprich 12 km/h. Und nun war klar. Über 1 Stunde Zeit für 10 Kilometer. Da dürfte nichts mehr anbrennen. Und so war es. Ich nahm deutlich Geschwindigkeit heraus – merkte sodann auch dass mir Schenkel und Knochen und Knie auch richtig weh taten und freute mich trotzdem wie ein kleiner Bub, dass das Ziel so gut wie geschafft war. Mit einer Zeit von 4:50:03 erreichte ich die Ziellinie überglücklich. Ein letzter Blick auf meine Planung war dann noch die Bestätigung dafür – Paule, das haste wieder gut „hingekriegt“…..
Hier geht es zur Ergebnisliste vom Alpin-Marathon Oberstaufen 2004.
Die Liste ist als PDF-Datei abgespeichert. Du benötigst einen Acrobat-Reader.
Meine Zeit 2004 war: 04:50:03 = 8,73 km/h = 06:52 min/km
Meine Zeit 2003 war: 06:19:43 = 6,67 km/h = 09:00 min/km
Meine Verbesserung:01:29:37
Eine Verbesserung um knapp 1 1/2 Stunden bei einem Marathon, das sind kleine Welten….
Die Geschwindigkeit ist insofern ebenfalls interessant. Bin ich doch exakt die gleiche Geschwindigkeit beim Rennsteiglauf in diesem Jahr gelaufen über 72 km.
Zum Schluss sei wieder ein großes Lob an die Organisatoren des Alpin-Marathons ausgesprochen. Alles war wieder bestens vorbereitet. Schade war nur, dass die Marke von 300 Läufer nicht erreicht werden konnte. Ich kann nur an jeden Marathon-Läufer appellieren: Traut Euch einfach, so wie ich es im letzten Jahr ohne jegliche Marathon-Erfahrung geschafft habe. Legt den Respekt vorm Berg ab. Sicherlich – der Lauf ist kein Pappenstil. Aber durch die Schönheiten und den zahlreichen Überraschungen auf der Strecke ist er einzigartig in Deutschland. Und da tritt die eigene Zeit einfach in den Hintergrund. Hier zählt einfach der Spaß am Laufen und die Lust Natur pur erleben zu können. Und noch etwas. Man lernt nette Leute kennen. So habe ich die Bekanntschaft mit Bruno Braun aus der Schweiz gemacht. Bruno war im WEB auf meinen Bericht vom letzten Jahr gestoßen und dachte: Den „Chaoten“ Paul möchte ich mal kennen lernen. Zuvor hatten wir schon ein paar Emails ausgetauscht. Im Zielbereich nach dem Lauf haben wir uns erstmalig getroffen. Ein nettes und interessantes Gespräch rundete den Aufenthalt in Oberstaufen als gelungener Lauftag wieder ab. Aber auch im letzten Jahr konnte ich eine nette Bekanntschaft machen. Armin Maier aus Berlin, von der Ostalb (Schwäbisch Gmünd) stammend war lange letztes Jahr mit mir gelaufen. Wir hatten uns auch schon in diesem Jahr in Berlin getroffen. Sicherlich werden wir beim Berlin Marathon 2004 ebenfalls uns wieder sehen……
Hier kannst Du direkt auf die Seite vom Alpin-Marathon gelangen.
Paul Launer
Paul Launer ist der Gründer von hobbylauf.de. Laufen und Sport sind in seinem Leben stets ein wichtiger Bestandteil. Er liebt Wettkämpfe und hat unzählige Lauf- und Triathlonveranstaltungen besucht. Rad fahren, wandern in den Bergen, Nordic-Walking und Skating machen Spaß. Ausdauernd und gesund in Bewegung ist sein Motto.Sie können auch gerne
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